Medienarbeit mit Schülern aus dem Angebot GRUPPEN + TRAINING der intra bonn
Das Angebot GRUPPEN + TRAINING ist ein soziales Kompetenztraining der intra bonn, das an Schulen in Bonn und im Rhein-Sieg-Kreis angeboten wird. An dem Kompetenztraining nehmen in der Regel vier bis sechs Schüler mit einer Diagnose aus dem Autismus-Spektrum teil.
Menschen mit dieser Diagnose haben oft Schwierigkeiten in der Interaktion und der Kommunikation. Sie können oft soziale und emotionale Signale, wie zum Beispiel Gesichtsausdrücke, Stimmen oder Körperhaltungen nicht gut einschätzen. Es fällt ihnen schwer, ihr Verhalten an die soziale Situation anzupassen und auf die Gefühle anderen Menschen einzugehen.
Oft zeigen Menschen mit einer Diagnose aus dem Autismus-Spektrum restriktive und stereotype Verhaltensweisen, Interessen oder Aktivitäten. Dies kann eine Bewegung, wie zum Beispiel Wedeln oder Schaukeln, sein. Es kann aber auch die wiederkehrende und ausdauernde Beschäftigung mit Gegenständen (zum Beispiel Spielzeuge) oder Themen (zum Beispiel Fahrplänen) betreffen. Einige Menschen mit einer Diagnose aus dem Autismus-Spektrum mögen keine Veränderungen und halten gerne an ihren gewohnten Strukturen fest.
Kinder und Jugendliche mit einer Diagnose aus dem Autismus-Spektrum befinden sich in einer permanenten „Anpassungsnot“. Die Reize der umgebenden Welt prasseln mitunter ungefiltert auf sie ein und bringen sie in Bedrängnis. Häufig können sie spielerische und fördernde Erfahrungen in unstrukturierten Situationen wie auf öffentlichen Spielplätzen, Schulhöfen oder während Ferienfreizeiten nicht machen, da sie sich entweder aus Überforderung durch die soziale Situation ängstlich zurückziehen oder aber durch in der Situation unangemessenes Verhalten in Konflikt mit anderen Kindern geraten.1
Das Angebot GRUPPEN + TRAINING möchte den Kindern und Jugendlichen die sozialen Kompetenzen zugänglich machen und diese Kompetenzen gemeinsam mit ihnen einüben.
1 Informationen aus „Informationen zum Thema Autismus“ intra bonn gemeinnützige GmbH
Digitale Medien als Weg zu mehr gesellschaftlicher Teilhabe
Wie können Menschen mit Einschränkungen und Behinderungen über digitale Medien stärker am gesellschaftlichen Leben teilhaben? Der Umgang mit digitalen Medien ist auch bei Menschen mit einer Diagnose aus dem Autismus-Spektrum allgegenwärtig. Im Fachbereich GRUPPEN + TRAINING der intra bonn wird der Umgang mit digitalen Medien regelmäßig thematisiert. In Kooperation mit stadtgrenzenlos wurde ein gemeinsames Projekt angestoßen und umgesetzt. Zielsetzung war es, durch aktive Medienarbeit gemeinsame Erfahrungs-, Handlungs- und Kommunikationsräume zu schaffen und die Schüler für den kreativen Umgang mit digitalen Medien zu sensibilisieren.
Interview mit Andrea Philipp-Vetter, Mitarbeiterin im Fachbereich GRUPPEN + TRAINING, über die Arbeit mit digitalen Medien
Wie ist die mediale Arbeit mit Schülern mit einer Diagnose aus dem Autismus-Spektrum zu verstehen?
Die Arbeit mit digitalen Medien ist eine Methode, um Menschen mit dieser Diagnose an das gesellschaftliche Leben heranzuführen. Digitale Medien bieten zum Beispiel durch spezielle Programme zum Training von Gefühlserkennung Möglichkeiten, soziale Fertigkeiten zu üben. Gleichzeitig sind Messenger-Dienste und Online-Spiele alltägliche Begleiter vieler unserer Trainingsteilnehmer.
Wer waren die Teilnehmer der Projektarbeiten?
Es handelte sich in diesem Fall um sechs männliche Schüler im Alter von 14 bis 16 Jahren, die das Angebot GRUPPEN + TRAINING einmal wöchentlich für ein Schuljahr besuchten. Diese Gruppe war sehr heterogen mit ganz unterschiedlichen Ausprägungen der Diagnose aus dem Autismus-Spektrum. Bei dem Projekt mit stadtgrenzenlos nahmen anfangs alle teil und alle waren engagiert bei der Arbeit. Mit der Veröffentlichung der Ergebnisse waren die Mehrheit der Teilnehmer bzw. die Erziehungsberechtigten jedoch nicht einverstanden, weil sie nicht in der Öffentlichkeit mit der Diagnose in Verbindung gebracht werden wollten.
Wie verlief das Projekt mit Greenscreen?
Das Projekt verlief sehr spannend. Es zeigte sich schnell, dass die Schüler mit einer Diagnose aus dem Autismus-Spektrum, entgegen gängiger Vorurteile, sehr kreativ sein können. So wurde der grüne Hintergrund nicht nur dazu genutzt, um andere Hintergründe hinein zu projizieren, sondern auch um Gegenstände und vor allem Teile des eigenen Körpers im Film verschwinden zu lassen. Dieser spielerische Umgang hat uns alle überrascht.
Welche digitalen Medien werden in der Gruppenarbeit eingesetzt?
Wir nutzen schon seit geraumer Zeit die Methode des Videofeedbacks. Die Teilnehmer werden in verschiedenen Trainingssituationen gefilmt und später wird ihr Verhalten mit den anderen Teilnehmern reflektiert. Das hat mehrere Effekte. Zum einen nehmen sich die Gefilmten selber wahr. Wie wirke ich auf andere? Welche Auswirkungen hat mein Verhalten? Das löst oftmals schon eine Veränderung im Verhalten aus. Auf der anderen Seite lernen die Teilnehmer sich gegenseitig konstruktive Rückmeldung zu geben. Sie erfahren, wie negative und positive Rückmeldung wirkt. Ähnliche Erfahrungen haben wir auch mit Fotografie in Bezug auf die Ausdrucksfähigkeit von Mimik und Gestik gemacht.
Gibt es ein vertieftes Interesse der Schüler und Schülerinnen an digitalen Medien?
Fast alle Schüler haben ein Smartphone. Fast alle nutzen Messenger-Dienste und nahezu alle spielen PC-Spiele. Im Vordergrund steht in der Regel der Konsum von digitalen Medien. Das hat seine guten Gründe. Viele Spiele sind gut strukturiert und arbeiten mit einem Belohungssystem. Dies ist ansprechend für Schüler mit einer Diagnose aus dem Autismus-Spektrum. PC- oder Consolen -Spiele helfen den Schülern oft sich selber zu beruhigen, beziehungsweise sich abzureagieren. Allerdings haben wir den Eindruck, dass die Schüler die Spiele teilweise sehr exzessiv spielen. Die Altersbeschränkungen werden häufig nicht berücksichtigt.
Online-Spiele bieten zusätzlich die Möglichkeit „indirekt“ mit anderen Spielern in Kontakt zu treten. Die Chance zur unverbindlichen sozialen Kontaktaufnahme kann ebenfalls ein starkes Motiv für das Spielen sein. Oft sind den Schülern mit einer Diagnose aus dem Autismus-Spektrum die dabei auftretenden Gefahren nicht bewusst. Vielen Schülern fällt die Perspektivübernahme schwer und sie können sich nur schlecht in andere hineinversetzen. Außerdem neigen Menschen mit einer Diagnose aus dem Autismus-Spektrum dazu vieles wortwörtlich zu verstehen und nicht zwischen den Zeilen zu lesen. So kann es sein, dass sie das, was im Chat von anderen preisgegeben wird, als wahr ansehen, wie zum Beispiel Altersangaben oder Freundschaftsanfragen. Viele Schüler haben außerdem Schwierigkeiten die Regeln zu Nähe und Distanz zu erkennen und anzuwenden. Es kann passieren, dass sie Daten von sich und ihren Familien unreflektiert weitergeben.
Wird das in der Gruppenarbeit thematisiert?
Ja, wir sprechen zum Beispiel über die Chancen und Risiken des Internets. So hatten wir Gespräche über den Online-Einkauf eines Schülers. Der Teilnehmer fand das Angebot und das Kaufprocedere sehr verwirrend. Er war sich nicht sicher, ob er bestellt hatte und hatte große Angst einen Fehler gemacht zu haben, da es sich um ein sehr teures Produkt handelte. Über das Rückgabe- und Umtauschrecht war er nicht informiert.
Oft stellen wir diese Themen, zum Beispiel den exzessiven Konsum von nicht altersgerechten Spielen, die Weitergabe von sensiblen Daten oder den Freundschaftsbegriff auf Facebook in der gesamten Gruppe zur Diskussion. Wir beziehen zwar klare Stellung, bauen aber auch auf die positiven Einflüsse der Peergroup.
Wie könnte die weitere Arbeit mit digitalen Medien aussehen?
An den Freizeitangeboten von stadtgrenzenlos im Gustav 2.0 können unsere Schüler nur schwer teilnehmen, da sie aus dem gesamten Bonner Raum bzw. dem Rhein-Sieg-Kreis und dem Rhein-Erft-Kreis kommen. Viele fahren nicht selber mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder sind nach Unterrichtsschluss einfach nicht mehr offen für ein Gruppenangebot.
Außerdem ist nicht für alle Schüler mit einer Diagnose aus dem Autismus-Spektrum ein offenes Angebot mit Schülern ohne Diagnose geeignet. Unter bestimmten Voraussetzungen, wie zum Beispiel dem Fachwissen über die Diagnose oder dem Einsetzen von strukturierenden Hilfen, ist dies aber durchaus vorstellbar.
Im schulischen Kontext wird generell viel im Medienbereich gearbeitet. Im sozialen Kompetenztraining greifen wir einzelne spezielle Themen schülerbezogen ebenfalls auf.
Stadtgrenzenlos bietet uns zusätzlich durch die Vielfalt der digitalen Medien – von Spielen bis hin zum Bewerbungstraining – interessante Möglichkeiten. Die räumliche Nähe zu stadtgrenzenlos ist für uns ebenfalls interessant. Vorstellbar wäre für uns zum Beispiel die Zusammenarbeit in einzelnen themenbezogenen Projekten wie Cybermobbing.