Keine Frage der Staatsangehörigkeit!
Kindeswohl und Kinderrechte in Deutschland.
Ein Plädoyer von Dr. Klaus Graf, Geschäftsführer im Verbund der Evangelischen Axenfeld Gesellschaft, Bonn
„Jugendhilfe ist nicht für junge Ausländer ausgelegt“, titelt DIE WELT in einem Artikel über unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Das Zitat ist einem Gespräch mit Michael Kretzschmer, Unions-Fraktionsvize im Bundestag, entnommen. Im selben Artikel kommt Uwe Lübking, Sozialexperte des deutschen Städte- und Gemeindebundes, zu Wort. Für ihn brauchen junge Leute, die auf der Flucht waren, nicht dasselbe wie „schwierige“ Jugendliche.
Äußerungen, wie die von Kretzschmer und Lübking, zielen vor allem auf eine Absenkung der Leistungen bzw. auf ein gesondertes Leistungsrecht für diese jungen Flüchtlinge.
Beides ist jedoch in rechtlicher und ethischer Hinsicht höchst bedenklich.
Das deutsche Kindeswohlprinzip gilt für alle Kinder und Jugendlichen, unabhängig von der Frage, ob es sich um Minderjährige mit oder ohne deutsche Staatsangehörigkeit handelt. Bereits seit dem Jahr 2010 besteht zudem der von der Bundesregierung hinterlegte ausländerrechtliche Vorbehalt zur UN-Kinderrechtskonvention nicht mehr.
Die Zentralnorm der UN-Kinderrechtskonvention findet sich in Artikel 3 und stellt ebenfalls das Wohl des Kindes in den Mittelpunkt der gesamten Konvention. Das Prinzip des Kindeswohls wird neben Artikel 2 (Recht auf Gleichbehandlung) insbesondere durch die drei Basisnormen Schutz, Beteiligung und Förderung präzisiert und ergänzt. In ihrer Gesamtheit spiegeln diese Normierungen die Achtung vor der Würde des Kindes wider. Damit ist die überpositive, ethische Funktion der Kinderrechte berührt. Ansatzpunkt dafür wiederum ist die Garantie der Menschenwürde, die in unserer Verfassung im Artikel 1 manifestiert ist.
Unbegleitet geflüchtete Kinder und Jugendliche gehören anerkanntermaßen zu den schutzbedürftigsten Personengruppen weltweit. Ihr Wohl und ihre Würde dürfen nicht zum Spielball parteipolitischer oder finanzieller Interessen verkommen.