Fluchthelfer Smartphone
Die meisten jungen Flüchtlinge, die Deutschland ohne ihre Eltern erreichen, haben ein Smartphone. Es ist oftmals die einzige Verbindung zur Familie und der wichtigste Begleiter auf der Flucht wie auch nach der Ankunft in Deutschland.
Mit dem Smartphone lässt sich nahezu alles organisieren.
Fluchtwege sind nur schwer planbar. Insbesondere für alleinreisende junge Flüchtlinge bergen sie vielfältige Risiken. Ohne Smartphones und soziale Netzwerke wäre die Flucht für viele Jugendliche erst gar nicht möglich. Der Kontakt zu Schleppern und Fluchthelfern erfolgt häufig über Facebook oder WhatsApp. Jeder der Arabisch, Türkisch oder Dari spricht, kann sich hier über die Routen, Preise und Dauer der Strecken informieren. Gleichzeitig tauschen sich Gruppen über ihre Erfahrungen und die sichersten und günstigsten Fluchtrouten aus.
Ist ein Etappenziel erreicht, rufen die Jugendlichen ihre Familie an oder versenden eine Nachricht. Erst dann wird der lokale Schlepper vor Ort bezahlt. Auf diese Weise dienen die Mobilgeräte unterwegs als eine Art mobile Bank. Zusätzlich helfen sie bei der Orientierung und Planung und bieten ein gutes Stück Schutz.
Smartphones geben Orientierung.
Aber auch in Deutschland sind Mobilgeräte für viele Flüchtlinge unentbehrlich. Nach der Ankunft sind sie vielfach der einzige Weg an erste Informationen zu gelangen. Vor allem aber ermöglichen sie ein gewisses Maß an Eigenständigkeit. Die Sprachbarriere, ungewisse Aufenthaltsbedingungen und gesetzliche Regelungen schränken den Handlungsspielraum junger Flüchtlinge stark ein. Digitale Wörterbücher, Karten und Facebook-Gruppen helfen bei der ersten Orientierung und bieten die Möglichkeit, sich selbstständig im neuen Umfeld zurechtzufinden.
Smartphones als Integrationshelfer.
Smartphones können den Flüchtlingen ein großes Stück Selbstbestimmung geben. Mit ihm können sie sich eigenständig und unabhängig von fremder Hilfe Orientierung verschaffen. Das schafft gerade in unsicheren Situationen zwischen (vorläufiger) Inobhutnahme, möglicher Umverteilung und eventuellem Asylverfahren Selbstvertrauen. Auf diese Weise dienen Smartphones als zentraler Integrationshelfer ins neue Leben.
Smartphones schaffen Heimat.
Und prägen Wirklichkeit.
Schon für die meisten deutschen Jugendlichen gehört die Nutzung von Smartphones und Internet zum Alltag, für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge sind sie unverzichtbar. Vor allen Dingen ermöglichen sie es den jungen Menschen, die Verbindung zur Heimat, Bekannten in Deutschland zu wahren und sich mit Freunden und Geschwistern auszutauschen.
Über Skype, WhatsApp und Chat-Programme halten sie regelmäßig und kostenfrei zwischen räumlich verteilt lebenden Familienmitgliedern den Kontakt. Auch Nachrichten und Entwicklungen in den Heimatländern werden auf diese Weise mitverfolgt. Die Alltagswirklichkeit vieler Jugendlicher wird durch diesen Austausch in hohem Maße geprägt.
So schaffen sich die Jugendlichen über das Halten von bestehenden Kontakten zu Familie und Freunden und den Aufbau neuer Kontakte in Deutschland ein eigenes Stück neuer Heimat. Dem „Ankommen“ in der neuen Gesellschaft steht dieser Austausch nicht im Wege. Im Gegenteil: die Kontakte nach Hause haben für die Jugendlichen nach ihrer Ankunft eine Stabilisierungsfunktion und helfen ihnen bei ihrer Lebensbewältigung ohne ihre Familie.
Jan Graf, Diplom-Geograph (DiverCity, Bonn)