Digitale Weiterbildung – Wie Sozialpädagogen erlernte digitale Inhalte und Methoden in der Praxis mit Jugendlichen umsetzen

Der Einsatz von Methoden bzgl. der Social Media Nutzung in sozialen Einrichtungen

Die Digitalisierung macht auch vor sozialen Unternehmen nicht Halt bzw. fordert diese im Besonderen bei der Vorbereitung der betreuten Kinder- und Jugendlichen auf die digitale Lebens- und Berufswelt. Zielsetzung ist die Erlangung von Medienbildung bei Kinder- und Jugendlichen sowie Menschen mit Einschränkungen. Dies beinhaltet nicht nur das Erkennen von Risiken, sondern insbesondere auch die Erlangung von Kompetenzen zur aktiven Gestaltung mit digitalen Medien. Verbote sind zumeist kontraproduktiv, und Risiken bewältigen kann nur, wer im sicheren Raum auch ausprobieren kann.

Dies erfordert bei den Pädagogen Kenntnisse über die Medien und Methoden, um Risiken im Medienhandeln der Kinder und Jugendlichen zu erkennen und Gestaltungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Nicht alle Pädagogen verfügen heute über ausreichende Kenntnisse bzgl. der digitalen Medien, Risiken und Gestaltungsmöglichkeiten. Es fehlt häufig die Kenntnis pädagogischer Methoden, um die Betreuten im digitalen Alltag professionell zu begleiten und Medienbildung zu vermitteln.

Die sozialen Medien haben eine hohe Bedeutung in der Welt von Kinder- und Jugendlichen

Gerade die sozialen Medien sind aus der Lebenswelt der Kinder- und Jugendlichen nicht mehr wegzudenken. Kontakte werden über soziale Medien-Kanäle aufgebaut und gepflegt. Es ist schwer, sich als Jugendlicher, dem zu entziehen, wenn man dazugehören will.

Egal welches Netzwerk genutzt wird, die Darstellung der eigenen Person nimmt einen wichtigen Platz ein. Wie kommt mein Foto oder Video an? Wie reagieren andere auf meine Meinung? Viele suchen Anerkennung und wollen sich dabei interessant, cool oder sexy präsentieren. Wenn man mitten in der Pubertät steckt und die eigene Persönlichkeit erst noch finden und festigen muss, ist die Rückmeldung aus der Gruppe natürlich umso wichtiger. Und schließlich will man kein Außenseiter sein, nur weil man einen Dienst nicht nutzt.

Dabei sind sich die Kinder- und Jugendlichen nicht bewusst, dass sie unwiederbringlich sensible Daten über sich preisgeben, die ohne eigenes Wissen auch anderen zugänglich ist. Denn junge Menschen geben oft leichtfertig Dinge im Internet preis. Ein hochgeladenes Bild, eine gegebene Information, all das ist schwer wieder rückgängig zu machen.

Auch Urheber- und Persönlichkeitsrechte werden durch Nutzer verletzt, ohne dass ihnen das bewusst ist.

Pädagogische Fachkräfte sind gefordert

Wenn Kinder und Jugendliche digitale Medien nutzen und sich in den digitalen Netzwerken aufhalten, sind die Pädagogen mit Fragen, Dynamiken und Risiken konfrontiert. In ihrer pädagogischen Rolle sind Fachkräfte in sozialen Einrichtungen gefordert, Kinder und Jugendliche in diesen neuen Welten zu begleiten. Wichtig ist, dass Pädagogen die jungen Menschen nicht belehren, sondern auf Augenhöhe kommunizieren. Dazu bieten spezielle Methoden die Chance, Gefahren möglichst spielerisch aufzeigen und Bildungs- sowie Teilhabepotentiale neuer Medien für diese jungen Menschen zu erschließen. Es gilt, gemeinsam Maßnahmen zu erarbeiten, um Risiken transparent zu machen und eine Strategie zu entwickeln, diese entsprechend zu vermeiden. Dabei müssen die Fachkräfte neue Wege gehen, um die Kinder und Jugendlichen zu erreichen.

Weiterbildung von Fachkräften bzgl. Digitaler Medien und Methoden

Deshalb werden bei der evangelischen Jugendhilfe Godesheim seit zwei Jahren Weiterbildungsmaßnahmen für Fachkräfte zu digitalen Medien und deren Einsatz im pädagogischen Alltag durchgeführt. Die Weiterbildung beinhaltet aktuelle digitale Medienthemen, die Kinder- und Jugendliche und junge Erwachsene täglich begleiten. Sie vermittelt Trends, Wissen über die Faszination digitaler Medien aus Sicht der Kinder- und Jugendlichen und zeigt Methoden zur spielerischen Auseinandersetzung damit auf.

Die Fachkräfte tauchen dabei selbst ab in die Welt ihrer Betreuten und lernen die digitale Welt der Apps und digitalen Spiele, Web-Video, Social Media und medienpädagogische Methoden kennen.

Eine der Methoden „das Social Media-Spiel“ macht z.B. auf „analoge Weise“ Kinder- und Jugendlichen die Mechanik und damit auch die Risiken bei der Nutzung der digitalen sozialen Medien deutlich.

Wie wird das in der Weiterbildung Erlernte bzgl. der Nutzung von sozialen Medien im Alltag der Kinder und Jugendlichen nutzbar gemacht?

Eine Fachkraft der evangelischen Jugendhilfe Godesheim berichtet, wie sie neues Wissen aus der Weiterbildung in die Arbeit mit ihren Jugendlichen einbringt. Die Fachkraft arbeitet in einer Zufluchtsstelle für junge Frauen und Mädchen. 

Um den Schutz der jungen Mädchen zu gewährleisten ist es wichtig, dass der Wohnort geheim bleibt und die jungen Mädchen sich der Gefahren ihrer jeweiligen Kommunikation über soziale Medien bewusst sind. Dies ist häufig nicht der Fall, weshalb die Fachkraft erlernte Methoden aus der Weiterbildung spielerisch mit den Mädchen durchführte. Um dies zu erreichen, setzt die Fachkraft Methoden aus der Weiterbildung in der Mädchengruppe ein.

Durch zielgruppengerechte Anpassungen und Erweiterungen kann sie die Effektivität der Methodik sogar erhöhen. Bei den Methoden hat die Pädagogin im Zeitverlauf der Spiele situativ Erweiterungen – angepasst an die Zielgruppe – vorgenommen, was den Effekt vergrößerte.

Interview über Ergebnisse mit pädagogischen Fachkraft

Wir haben mit der Pädagogin ein Interview dazu durchgeführt und sie zu Methodeneinsatz und Ergebnissen befragt:

„Welche Methoden aus ihrer Weiterbildung bzgl. Sozialer Medien haben Sie bei den Mädchen eingesetzt“?

„Ich habe zur Einstimmung und zum Aufwärmen zur bisherigen Nutzung von sozialen Medien der Mädchen das Bingo-Spiel eingesetzt. Danach haben wir das Social Media Game gespielt.“ (Link: http://www.projekt-powerup.de/bingo-mit-medialen-inhalten/00810/#more-810 )

„Warum haben Sie genau diese Methoden ausgewählt“

„Das Bingo Spiel ist eine sehr gute Möglichkeit als Einstieg in ein Thema, bei dem sich die Jugendlichen auch untereinander über Ihre Nutzung unterschiedlicher sozialer Medien austauschen.

Das Social Media Spiel fand ich als Methode gut, um die Mechanik der Verbreitung von eigenen auch unbewusst preisgegebener Daten im Internet greifbar zu machen. Das Spiel ist analog und hat eine ähnliche Dynamik wie beim „Bewegen“ im Internet. Die Mechanik im Internet ist ihnen zumeist nicht bewusst und durch das analoge Spiel erfahren Sie die Mechaniken anders als in der Realität. Es wird dadurch greifbarer.“

Wie alt sind die Mädchen und wie viele haben teilgenommen?

„Es waren 5 Mädchen in der Gruppe anwesend, mit denen ich die Spiele durchgeführt haben. Sie sind zwischen 14-17 Jahre alt“

Wie sind Ihre Erfahrungen mit der Methode „Bingo“ dazu?

„Die Mädchen haben sich untereinander ausgetauscht, erzählt, welche Social Media-Kanäle sie nutzen und wie und welche sie nicht kennen. Interessant war für mich, dass die Mädchen gar nicht alle gängigen Social Media-Kanäle kannten.“

Und wie hat die Methode „Social Media Spiel“ funktioniert?“

„Die Mädchen waren sehr engagiert und haben aktiv mitgemacht. Statt der ursprünglich geplanten 30 Min., lief das Spiel dann sogar eine Stunde lang, ohne den Mädchen langweilig zu werden.

Durch den Spielmechanismus, dass derjenige der Gewinner ist, der die meisten Aktionen bzw. Posts auf die Pinwand bringt, haben die Mädchen wenig überlegt. Das entsprach der Dynamik, wie sie sich auch im Internet bewegen. Dadurch gab es sehr interessante Ergebnisse.“

Wie Sie erzählten, haben Sie das Spiel vorab aber auch während es lief, noch angepasst bzw. Inhalte ergänzt. Wie sah das konkret aus?

„Ich hatte z.B. für die Erstellung des eigenen Profils eine Polaroid-Kamera mitgebracht, so dass die Mädchen von sich Fotos für ihr Profil machen konnten. Sie haben sich beim Profil viel Mühe gemacht und hatten sichtlich Spaß dabei.

Während des Spiels habe ich außerdem noch eine Verschärfung zu den Posts mit reingebracht. Ich habe einem Mädchen aufgetragen, dass sie eines der geposteten Fotos an andere weiterleiten soll. Das Mädchen, deren Foto an die anderen weitergeleitet wurde, war später unangenehm überrascht und wollte das Foto dann von der Pinwand nehmen. Das ging dann natürlich im Spiel nicht – analog der Verbreitung im Internet: natürlich kann ich das Foto grundsätzlich von der Pinwand nehmen, aber im Internet kann ich nichts, was dort weitergeleitet ist, zurückholen. Diese Diskussion hat einen starken AHA-Effekt bei den Mädchen generiert.“

Was haben die Mädchen aus dem Spiel mitgenommen?

„Im Anschluss an das Spiel haben wir die Ergebnisse auf der Pinwand analysiert und gemeinsam reflektiert. Ich habe die Mädchen z.B. gefragt, ob es etwas auf der Pinwand gibt, das sie im Internet nicht verteilt sehen möchten.

Die Erkenntnis, dass ich Veröffentlichungen im analogen Spiel durch Wegnahme von der Pinwand zurücknehmen kann, aber im Internet nicht, war Gesprächs- und Diskussionsthema.

Die Mädchen unterhielten sich danach untereinander und regten sich gegenseitig zur Reflexion an. „Warum hast Du das denn überhaupt gepostet? Dann kann ja … im Internet passieren“ sagte z.B. ein Mädchen zu einem anderen Mädchen. „War doch mein Auftrag und weil ich das Spiel doch gewinnen wollte, habe ich das nicht hinterfragt“ antwortete die andere.“

Wie sah das Ergebnis aus?

„Interessant war, dass im Anschluss an das Spiel einige der Mädchen sogar ihr Instagram- bzw. Facebook-Profil gelöscht haben. Einige haben auch bestimmte Apps nicht mehr genutzt. Ich bin mir aber nicht sicher, ob das längerfristig anhält.“

Wie sieht Ihr Fazit dazu aus?

„Ich finde diese Art des Heranführens an die Problematiken bei der Nutzung von Social Media Kanälen pädagogisch sehr gut.

Ein erhobener Zeigefinger führt nach meiner Erfahrung nicht zu einem guten Ergebnis – im Gegenteil. Es bedarf hier bei jedem Jugendlichen die eigene Motivation. Jugendliche müssen selbst erleben, was ihre Aktionen im Internet für Folgen haben können.

Es ist unsere Aufgabe als Pädagogen, diesen Schutzrahmen zu bilden, in dem Kinder und Jugendliche aktiv ausprobieren können und dadurch selbst die richtigen Schlüsse ziehen bzw. Erkenntnisse gewinnen. Nur durch das Ausprobieren können sie ihre eigenen Medienkompetenzen entwickeln.“

Zu den beiden Methoden

Die beiden eingesetzten Methoden „Bingo“ und „Social Media Game“ wurden von PowerUp entwickelt. PowerUp ist ein Projekt der Fachstelle für Jugend und Medienkultur FJMK in Köln und führt u.a. Weiterbildungen im Bereich Medienpädagogik für Fachkräfte in sozialen Einrichtungen durch. Inhalt der Weiterbildungen ist u.a. auch der Methodeneinsatz. Die Methoden werden im Rahmen der Weiterbildung vorgestellt und von den Fachkräften ausprobiert.

Die beiden Methodenanleitungen zu „Bingo“ und dem „Social Media Game“ finden Sie auf den Seiten von PowerUp unter: http://www.projekt-powerup.de/bingo-mit-medialen-inhalten/00810/#more-810 und http://www.projekt-powerup.de/wordpress/wp-content/uploads/2017/06/Methoden-PowerUP-Social-Media-Game_.pdf

Zu PowerUp:

PowerUp ermöglicht medienpädagogische Handlungspraxis im Kontext der Kinder- und Jugendhilfe, im Speziellen der Hilfen zur Erziehung. Praktische, medienpädagogische Projekte vor Ort, Leitlinien für Ihre Einrichtung oder Beratungsangebote werden Ihnen von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Fachstelle für Jugendmedienkultur NRW gerne zur Verfügung gestellt. Ein institutionsübergreifendes Netzwerk an Interessierten befindet sich im regelmäßigen Austausch über Erfahrungen und Informationen über die medienpädagogische Praxis.