Digitale Spieleapps – Fluch oder Segen für die pädagogische Praxis?

Was sagen Pädagogen/-innen zur Nutzung von Free-to-Play Spielen auf den Smartphones der Kinder und Jugendlichen?

Die Pädagogen/-innen der Evangelischen Jugendhilfe Godesheim und der intra bonn nehmen Stellung zur folgenden These der Spiele-Apps aus der pädagogischen Praxis.

Die Medienbeauftragten/-innen der Evangelischen Jugendhilfe Godesheim und der intra bonn treffen in regelmäßigen Sitzungen der AG Digitalisierung zusammen und diskutieren mögliche Themen, die in medienpädagogischen Workshops angeboten werden können, besprechen Problemstellungen, die sich in der Praxis zeigten und bringen eigene Ideen und Lösungsansätze mit ein. Ein Beispiel verschiedener Thesen, die bearbeitet wurden, stellen wir Ihnen im Folgenden vor. Dieses Mal geht es um die Nutzung von Spiele-Apps und problematische Kaufsituationen, die aus den vermeintlich kostenlosen Spielen resultieren können.


These zur Nutzung von Spiele-Apps von Kindern und Jugendlichen:

In der Wohngruppe spielen viele Jugendliche die beliebte Spiele-App Clash of ClansWie bei vielen Spiele-Apps ist das Spiel zunächst kostenfrei. Anschließend ist es aber möglich, sich durch In-App-Käufe Vorteile gegenüber anderen Spielern zu verschaffen. Einige der Jugendlichen investieren ihr gesamtes Taschengeld in Gutscheine, mit denen sie Verbesserungen im Spiel freischalten können. Wie gehen Sie das Thema an?

Was die Pädagogen/-innen der Einrichtungen EJG und intra bonn dazu sagen:

Grundsätzlich sollten Fachkräfte und Pädagogen/-innen bei der intensiven Nutzung von Spiele-Apps mit den Jugendlichen in den Dialog gehen und sich aus Sicht der Jugendlichen erklären lassen, worin der Reiz des Spieles liegt bzw. was das Spiel so spannend macht.

Wird der Thematik mit Interesse begegnet reagieren Kinder und Jugendliche erfahrungsgemäß sehr offen und erklären gerne ihre Lieblingsspiele. Fachkräfte sollten sich aber ebenso über die aktuell angesagten Titel informieren und sich grundlegend mit den Inhalten befassen.  

Viele der aktuell beliebten Spiele-Apps sind zunächst kostenfrei; wollen die Spieler jedoch schnelle Fortschritte erzielen oder Vorteile gegenüber anderen Spieler haben, können sie “Upgrades” durch die interne Spielwährung (virtuelles Zahlungsmittel) erwerben.

Die Spielwährung selbst erhält der Spieler durch Einkauf in Euros oder kann sich diese mühselig erspielen. Dadurch ist vielen Kindern und Jugendlichen nicht transparent, wie viel Geld sie wirklich für das Spielen einsetzen.

Hier setzt die Arbeit der Pädagogen/-innen und Fachkräfte an, die durch Beispiele (wie Vergleichswerte) veranschaulichen bzw. bewusst machen, was an tatsächlichen Ausgaben in die digitalen Spiele-Apps von den Jugendlichen eingesetzt wird bzw. werden muss. Der dahinterliegende Spielmechanismus der Anbieter und deren eigene Interessen sollten transparent gemacht und mit den Kindern und Jugendlichen diskutiert werden. Die Sogwirkung durch clevere Spielemechanismen gilt es,  gemeinsam mit den Kindern und Jugendlichen zu reflektieren.

Für die Spielzeiten sollten darüber hinaus verbindliche Regelungen vereinbart werden. Gerade mit Blick auf die zugrundeliegenden Spielmechanismen und Verkaufsstrategien empfiehlt es sich ebenso, den Jugendlichen Alternativen aufzuzeigen.

Der Medienpädagoge ergänzt:

Kostenlose Spiele, die im späteren Verlauf über In-App-Käufe zum Geldausgeben motivieren, gibt es wie Sand am Meer in den Appstores der Smartphones. An dieser Stelle muss man sich bewusst machen, dass das für die Kinder und Jugendlichen ja zunächst auch erstmal vorteilhaft sein kann. Dass die Spiele darauf aus sind, Umsatz zu generieren ist natürlich in erster Linie nicht nur negativ zu sehen, da der Spieler als Gegenwert über einen langen Zeitraum spielen konnte. Ohne finanziellen Einsatz kann er das Spiel nur nicht im vollen Umfang nutzen, da weitere Funktionen dann entsprechend Geld kosten. Die niedrigsten Summen bei den In-App-Käufen bewegen sich im Bereich von 0,10 € bis hin zu 199€. Die Bandbreite an unterschiedlichen Verkaufsmodellen ist demnach sehr groß. Im speziellen Fall muss mit den Kindern und Jugendlichen thematisiert werden, was warum gekauft wird bzw. warum der Wunsch danach besteht. Welche Vorteile ergeben sich aus dem Kauf, gibt es andere Möglichkeiten bzw. Alternativen und wie groß ist die tatsächliche Notwendigkeit für die entsprechenden Gegenstände bzw. Spielevorteile?

Kostenfallen werden versteckt

Die sogenannten free-to-play-Spiele bedienen sich auch eines Tricks, um die entstehenden Kosten unübersichtlich zu gestalten und Vergleichswerte von anderen Gütern schwieriger erfahrbar zu machen. Durch eine weitere Handelsstufe wird das echte Geld in eine Spielwährung transferiert und für die Spielwährung kann man die Gegenstände, Verbesserungen etc. dann erstehen. Somit ergibt sich eine “Übersetzungsstufe” zusätzlich von Euro zu Spielinhalt, welche gerade für Kinder und Jugendliche den Übertrag schwer macht. Ein weiterer Mechanismus ist der Kauf von sog. “Lootboxen”, in welchen der gewünschte Artikel erhältlich ist, dies aber nur mit einer prozentualen Wahrscheinlichkeit. Aktuell wird gerade von den Landesmedienanstalten geprüft, ob diese Funktion auch schon in den Bereich des Glücksspiels gehört und somit jugendschutzrechtlich Relevanz aufzeigen kann.

Von pädagogischer Seite aus liegen die Handlungsmöglichkeiten beim vorliegenden Fall wieder in der zeitlichen Beschränkung, dem Diskurs über das Spiel und der merkantilen Interessen der Spielehersteller. Durch den Aspekt der Lootboxen muss natürlich auch beachtet werden, dass hier – ähnlich zu Glücksspielen – eine Suchtgefährdung entstehen kann.

Taschengeldparagraph als Orientierung
Letztendlich ist es jedoch so, dass die Ausgaben durch Gutscheinkarten in Supermärkten, Tankstellen etc. einen Wert ab 15€ haben und somit unter den Taschengeldparagraphen fallen. Die Kinder und Jugendlichen können damit frei darüber verfügen und diese Gutscheinkarten kaufen. Deshalb gilt es, ein reflektiertes Bewusstsein über diese Ausgaben (z. B. für kleinere Vorteile in den Spielen) herauszuarbeiten und zu fördern, bevor das ganze Taschengeld in Guthabenkarten investiert wird.