Digitale Medien: YouTube – das neue Fernsehen? Der pädagogische Umgang mit der Nutzung von YouTube bei Kindern und Jugendlichen

Die Medienbeauftragten/-innen der Evangelischen Jugendhilfe Godesheim und der intra bonn  treffen in regelmäßigen Sitzungen der AG Digitalisierung zusammen und diskutieren mögliche Themen, die in medienpädagogischen Workshops angeboten werden können, besprechen Problemstellungen, die sich in der Praxis zeigten und bringen eigene Ideen und Lösungsansätze mit ein. Ein Beispiel verschiedenen Thesen, die bearbeitet wurden, stellen wir Ihnen im Folgenden vor. Dieses Mal geht es um die Nutzung von YouTube und Webvideos sowie einer konkreten anonymen Fallbeschreibung.

Was sagen Pädagogen/-innen zur Nutzung von YouTube in sozialen Einrichtungen

Die Pädagogen/-innen der Evangelischen Jugendhilfe Godesheim und der intra bonn haben sich zu folgendem Szenario bzgl. der YouTube-Nutzung von Max ausgetauscht und nehmen Stellung.

Szenario:

Max (Name fiktiv) lebt in einer Wohngruppe, die Sie betreuen. Sie beobachten, dass Max schon morgens vor der Schule die YouTube-App offen hat und sich Videos anschaut. Sobald er von der Schule zurück ist, geht das exzessive Schauen auf dem Smartphone weiter. TV schauen ersetzt Max durch YouTube-Formate wie Let’s Plays oder Blogs von bekannten YouTube-Persönlichkeiten. Sie haben Max schon auf das Thema angesprochen, aber es zeigt sich keine Besserung.

Mit welchen Hilfen oder Tools können Sie den Konsum von Max einschränken? Wie würden Sie das Thema angehen?

Was die Pädagogen/-innen der Einrichtungen EJG und intra bonn dazu sagen:

Reines Verbieten bringt nichts. Es ist sinnvoller, Interessen für die Themen der Jugendlichen zu zeigen und dadurch Akzeptanz zum Austausch zu schaffen. Die Pädagogen/-innen empfehlen, Max aus der passiven Rolle als Beobachter in die aktive Rolle zu bringen. Dies soll durch die Schaffung attraktiver Angebote erfolgen: Max soll nicht nur YouTube passiv konsumieren, sondern selbst gestalten. Zum Beispiel, indem er selbst Videos erstellt und hochlädt, am besten gemeinsam mit anderen zusammen.

Wichtig finden die Sozialpädagogen/-innen auch, dass es definierte Nutzungszeiten gibt, in denen Max YouTube nutzen kann. Dabei kann ein Handy- oder WLAN-Nutzungsvertrag mit den Kindern und Jugendlichen die Regeln der Nutzung vereinbaren.

Der Medienpädagoge ergänzt:
Das reine Verbot der YouTube-Nutzung birgt natürlich viel Frust- und Konfliktpotenzial. Gleichzeitig wird durch die häufige Nutzung der Plattformen ein bestimmtes Bedürfnis ausgedrückt. Die Plattform YouTube bietet die Möglichkeit, selbstbestimmt Videos herauszusuchen, die den Bedürfnissen entsprechen.

YouTube ist das neue Fernsehen?
Lineares Fernsehen ist darauf ausgelegt, ein kuratiertes Angebot zu bestimmten Zeiten zu senden. Für Kinder und Jugendliche, die mit Video-on-Demand und vielfältigen Onlinevideo-Plattformen aufwachsen, ist das lineare Zuschauen wenig attraktiv. Gleichzeitig liefert das kuratierte Angebot oft nicht die Inhalte, an denen die Kinder und Jugendlichen interessiert sind. Beispielsweise im Szenario von Max liegt sein Interesse im Bereich der Let’s Play-Videos. Er ist also interessiert am Thema Videospiele. Die Motivationen, Let’s Play-Videos zu schauen, können sehr vielfältig sein. Zum einen haben Kinder und Jugendliche nicht die technischen Geräte, um die aktuellen Spiele selbst spielen zu können, es fehlt an Geld, um sich das Spiel leisten zu können oder aber der Jugendschutz kann umgangen werden, da es für YouTube-Videos keine gesetzlichen Jugendschutzregelungen gibt wie bspw. die Alterskennzeichen der USK bei Spielen. Zum anderen können die Kommentatoren der Let’s Play-Videos mit ihrer Persönlichkeit und Darstellung der Spielinhalte die Zuschauer/-innen an sich binden. Durch Humor und Einblick in die persönlichen Haltungen, Neigungen und Interessen entsteht eine Art Bindung und Interesse an den YouTube-Kommentatoren/-innen. (vgl. http://www.netzwerker.news/content/YouTube-Stars-sind-beliebter-als-Schauspieler-und-Sportler.html&https://www.lmz-bw.de/fileadmin/user_upload/Medienbildung_MCO/fileadmin/bibliothek/doering_youtube/doering-youtube.pdf)

Somit muss aus pädagogischer Konsequenz wahrgenommen werden, dass für Max das Schauen dieser Videos ein entsprechend wichtiges Interesse für seine Lebenswelt darstellt. Genau dieses begründbare Interesse kann als Ausgangslage für das (medien-)pädagogische Arbeiten mit Max sein. Zunächst muss es möglich sein, dass beispielsweise ein (zeitlicher) Raum für den Austausch über dieses Interesse möglich wird. Um die ganze Gruppe mit einzubinden, kann man beispielsweise in einem regelmäßigen Turnus YouTube-Abende anbieten. Analog zu DVD- oder Filmabenden können die Jugendlichen YouTube-Videos vorschlagen, die gemeinsam geschaut werden und darüber gemeinsam gesprochen wird und so bspw. Hintergrundinfos zu den Künstlern etc. ausgetauscht werden.

Vom Konsumenten zum Produzenten?

Ein weiterer Vorschlag von den Mitarbeitenden aus den sozialen Einrichtungen EJG und intra bonn, dass Max aus der eher passiven Rolle “herausgeholt” werden solle und hin zu einer produktiveren, kreativen Rolle im Bereich Webvideo geführt werden könnte, ist sehr gut und spannend. Man setzt am Interesse des Jugendlichen an und führt ihn zu einer kritisch-reflexiven Blickrichtung hin.

Das “Machen”, also das Produzieren von Videos, kann für Max die Erkenntnis bringen, wie viel Aufwand hinter den Webvideos stehen kann und welche Kompetenzen man mitbringen muss. Probiert Max die Erstellung von Let’s Play-Videos selber aus, erlebt er welche Kompetenzen für  Moderation und unterhaltende Kommentierung erforderlich sind. Hierfür muss aus Sicht der Fachkräfte sowohl das entsprechende Equipment zur Verfügung stehen, als auch das Interesse und die Bereitschaft, sich gemeinsam mit Max die Videoarbeit anzueignen.