Ausrichten eines Dialogforum – Erfahrungsbericht

Die Situation

Zu Beginn der Flüchtlingswelle wurde schnell deutlich, dass Integrationsakteure einen anderen Zugang zu jungen, unbegleiteten Flüchtlinge finden müssen als in der Arbeit mit erwachsenen Flüchtlingen. Die Herausforderung war: wie findet und gestaltet man die passenden Kommunikationswege, die auch von Jugendlichen akzeptiert werden?

Die Evangelische Jugendhilfe Godesheim arbeitete zu diesem Zeitpunkt bereits an der App stadtgrenzenlos.de. Allen Beteiligten war jedoch bewusst, dass diese App nur funktionieren kann, wenn in der „analogen“ Welt die Voraussetzungen zur Nutzung geschaffen werden.

Im Frühjahr 2016 wurde deshalb das erste Dialogforum veranstaltet, welches die Belange junger Flüchtlinge im Fokus hatte. Die Evangelische Jugendhilfe Godesheim hatte gemeinsam mit dem CSR-Kompetenzzentrum der IHK Bonn/Rhein-Sieg die Veranstaltung organisiert, zu der verschiedenste Akteure aus unterschiedlichsten Institutionen eingeladen wurden. Diese hatten alle einen Bezug zur Arbeit mit jungen Flüchtlingen, kamen aber aus unterschiedlichsten Organisationen.

Ziel des Forums war zum einen das Einholen von Feedback zur Website stadtgrenzenlos.de, zum anderen das gegenseitige Kennenlernen und die Vernetzung der unterschiedlichsten Fachleute. Außerdem sollte festgestellt werden, welche Themenfelder zukünftig bearbeitet werden sollen, um die Integration und Partizipation der jungen Flüchtlinge zu ermöglichen.

Methode

Dem Vorbereitungsteam war es wichtig, dass alle Teilnehmenden Raum und Zeit haben, ihre Fragen und Anregungen zu äußern. Deshalb wurde beschlossen, dass zunächst stadtgrenzenlos.de im Plenum vorgestellt wird und dazu erste Fragen beantwortet werden. Anschließend wurde eine „World-Café“-Variante durchgeführt.

Dazu wurden vier Themenräume eingerichtet, die unterschiedlichste Fragestellungen zur Diskussion stellten. Die Räume wurden von den Teilnehmenden nacheinander aufgesucht. Ein Wechsel erfolgte jeweils nach 15 Minuten. In jedem Raum war ein(e) Moderator(in), der/die in Anbetracht der kurzen Zeit die Diskussion moderierte und auf die jeweilige Fragestellung fokussierte. Außerdem konnte jeder seinen Input auf eine Papierdecke schreiben.

Folgende Räume wurden eingerichtet:

Problem-Raum: welche Angebote brauchen wir noch für die jungen Flüchtlinge? Aber auch: was brauchen wir als Akteure?

Best-Practice-Raum: Wer bietet was an? Wer weiß von weiteren Angeboten sowohl regional als auch überregional? Wer weiß von virtuellen Angeboten, aber auch von konkret vor Ort stattfindenden Angeboten?

Informations-Raum: Informationsaustausch und Kommunikationsstrukturen (welche Plattformen und Programme werden genutzt? Welche Kommunikationsprozesse brauchen am meisten Zeit?)

Treff-Punkt: Austausch und Vernetzung; Sammeln der Kontaktdaten, Informationen über Arbeitgeber, Aufgabengebiet und Funktion

Organisatorische Rahmenbedingungen:

  • Projektteam für Vorbereitung und Durchführung
  • Ein großer Veranstaltungsraum
  • Kleine Sitzungsräume entsprechend der Anzahl an Fragestellungen; ein Treffpunkt für den informellen Austausch (kann auch ein Foyer sein)
  • Wegen der begrenzten Zeit: Moderatoren für die einzelnen Räume
  • Schreibmaterial: u. a. beschreibbare Tischdecke oder Moderationskarten
  • Imbiss und Getränke
  • Sonstiges: Gute Vorbereitung der Fragestellungen, Adressverteiler, Namensschilder etc.

Resultate

Im „Problem-Raum“ wurde deutlich, dass es zwar eine Vielzahl an Angeboten für junge Flüchtlinge gibt, aber Informationen darüber in kompakter Form – und jederzeit abrufbar – nicht vorliegen. Hier wünscht man sich vor allem eine „technische Lösung“, die die Dienstleistungen bündelt. Weiterhin wird die fehlende Vernetzung der Akteure bemängelt. Eine bessere Zusammenarbeit könnte auch Wissensdefizite abbauen.

Dazu wurde im „Best-Practice-Raum“ und im „Treff-Punkt“ sofort die Grundlage gelegt. Denn hier wurden Informationen über bestehende Projekte gesammelt und die Kontaktdaten sowie die Dienstleistungen erfasst. Die Vielfalt der Hilfen wurde insgesamt als gut bis überdurchschnittlich gewertet. Trotzdem fehlen Schulplätze sowie Angebote zur intensiven Sprachförderung. Erschwerend kommt hinzu, dass Mitarbeitende die jungen Menschen auf konventionellem Weg nicht erreichen. Beispielhaft beschrieben Mitarbeitende der IHK, dass es zwar eine Vielzahl an Unternehmen gibt, die Ausbildungs- und Praktikumsplätze anbieten; diese Information sei aber bei den Zielgruppen nicht angekommen, sodass nur wenige Stellen besetzt werden konnten.

Im „Informationsraum“ wurde deutlich, dass viele digitale Angebote – sowohl bei haupt- als auch ehrenamtlichen Kräften – bisher wenig bekannt sind. Dabei könnte deren Kenntnis viele „Zeitfresser“ in der alltäglichen Arbeit reduzieren.

Die Herausforderung

Die Fülle an Rückmeldungen war beeindruckend. Diese galt es zu sortieren und Handlungen daraus abzuleiten. Festgehalten wurde, dass

  • Online- und Offline –Welten nicht nur untereinander, sondern auch miteinander vernetzt werden müssen. So ist ein Vorschlag, haupt- und ehrenamtliche Akteure zu schulen, um mit jungen Flüchtlingen auf digitalem Wege zu kommunizieren.
  • das Dialogforum ein wichtiger Ort zum Austausch und zur Vernetzung bleiben muss. Die Themen sollten wechseln. Dazu gab es bereits Vorschläge, die z. B. den Arbeitsmarkt, aber auch die Gender-Frage betreffen.
  • es viele Hilfestellungen gibt, die aber nicht ausreichend bekannt sind. Deshalb sollte auch ein digitales Forum als Informationsplattform eingerichtet werden. Dazu könnte „stadtgrenzenlos“ einen Beitrag leisten.

Unverkennbar war auch, dass die Situation der jungen Flüchtlinge nachhaltig verbessert werden kann, wenn Verantwortliche, die für die Integration vor Ort wichtig sind, stärker, aber vielleicht auch anders als bisher, zusammenarbeiten. Und: „stadtgrenzenlos“ lebt von der Vernetzung dieser Akteure und der Bereitschaft, an der Plattform mitzuarbeiten.

Fazit

  • Das Dialogforum brachte innerhalb kürzester Zeit eine Fülle von Anregungen. Dazu trug bei, dass verschiedenste Akteure in der Flüchtlingshilfe – aus gemeinnützigen Einrichtungen, Verbänden, Politik und Verwaltung eingeladen wurden und teilnahmen.
  • Das Feedback war überaus hilfreich bei der Weiterentwicklung von stadtgrenzenlos.de.
  • Die Form und der Ablauf der Veranstaltung boten Austausch- und Vernetzungsmöglichkeiten. Dieses Angebot wurde gerne angenommen.
  • Allerdings gab es nur wenige Unterstützungsangebote im Nachgang der Veranstaltung, das bedeutet, dass man die Erwartungen nicht zu hoch ansetzen sollte.
  • Deutlich wurde auch, dass Aktivitäten (Veranstaltungen, Weiterbildungen etc.) in der „offline-Welt“ hilfreich sind, um die „online-Welt“ und zunehmende Digitalisierung zu verstehen.
  • Daher wird das Dialogforum mit weiteren Themen fortgeführt.