Wie digitale Medien in den Alltag einer intensivpädagogischen Wohngruppe einfließen
Fachkräfte einer intensivpädagogischen Wohngruppe erstellen ein Konzept zur Integration digitaler Medien in ihren Arbeitsalltag
Im Rahmen eines Projektes der Ev. Jugendhilfe gGmbH wurden über mehrere Monate Maßnahmen aufgesetzt, digitale Medienkompetenzen im Alltag einer intensivpädagogischen Wohngruppe an die Jugendlichen zu vermitteln (s. Bericht November 2018) Dazu sollten die Fachkräfte relevante Maßnahmen identifizieren, aufsetzen und im Gruppenalltag mit den Jugendlichen verproben.
Jugendliche der Intensivgruppe mit wenig Medienkompetenzen
Die Jugendlichen der Intensivgruppe sind zwischen 14-17 Jahre alt und verfügen über wenig Medienkompetenzen. Die Nutzung digitaler Medien beschränkt sich in erster Linie auf das Smartphone.
Die Chancen des Internets sind bei den Jugendlichen wenig bekannt und werden nicht genutzt (z.B. Lernplattformen, Möglichkeiten zum kreativen Gestalten mit digitalen Medien, Informationsrecherchen etc.). Auch bzgl. der Anforderungen digitaler, zeitgemäßer Bewerbungen kennen die Jugendlichen sich nicht aus. Hilfen und Formulare aus dem Web sind nicht bekannt.
Aufgrund ihrer Unwissenheit sind die Teenager andererseits erheblichen Risiken ausgesetzt wie z.B. den Folgen von Datenmissbrauch und Cybermobbing sowie den Risiken bei virtuellen Sozialkontakten, Sexting und Cyberkriminalität.
Fachkräfte sehen selbst Nachholbedarf bei digitalen Medienkompetenzen
Das Fachkräfte-Team besteht aus Fachkräften, die viel Erfahrung in der intensivpädagogischen Arbeit mitbringen. Auf der anderen Seite sehen sich die Fachkräfte nicht als Kompetenz- und Know-how-Träger bzgl. digitaler Medienkompetenzen. Sie wünschen sich aber für sich selbst, dass sie zu den digitalen Themen besser aussagefähig gegenüber den Jugendlichen sind. Die Jugendlichen sollen durch ihre Unterstützung eigenständig eine Haltung zu problematischen Nutzungsszenarien und Inhalten entwickeln.
Fachkräfte wünschen sich vor allem Methoden zu den Themen Datenschutz & Bewerbung
Die Fachkräfte wünschten sich vor allem Methoden, Hilfen und Angebote zur Vermittlung von Datenschutz-Themen und für die Umsetzung von professionellen Bewerbungen der Jugendlichen.
Stadtgrenzenlos erstellte auf dieser Basis Methodenvorschläge. Einige davon wurden in der Intensivgruppe getestet.
Einige Methoden mussten für die Jugendlichen vereinfacht werden
Manche der getesteten Methoden waren für die Klienten schwierig und mussten vereinfacht werden. Beispielsweise war das Klick-Safe Quiz (klicksafe quiz) nicht niedrigschwellig genug: die Jugendlichen scheiterten beim Quiz bereits an den im digitalen Alltag durchaus gängigen Fach-Begriffen, die sie nicht kannten und deshalb die Fragen nicht verstanden.
Einfachere Quiz wie der kleine und große Surfschein (internet-abc surfschein) waren für die Zielgruppe verständlicher und kamen bei den Jugendlichen deshalb besser an und konnten auch bewältigt werden. Der spielerische Charakter der Quiz spricht auch ältere Jugendliche an.
Die Methode: „Öffentlich vs. Privat“ führte zu guten Diskussionen darüber, was an Daten privat bleiben sollte und was öffentlich sein kann. Da die Methode bei allen Jugendlichen gut funktionierte, planen die Fachkräfte, die Methode beim nächsten Mal in der gesamten Gruppe einzusetzen.
Die Fachkräfte diskutierten mit den Jugendlichen Bewerbungsbeispiele. Durch die Diskussion ergab sich schnell und ungezwungen die thematische Auseinandersetzung mit typischen Fehlern, die es zu vermeiden gilt und positiven Mustern, die für ein gutes Anschreiben verwendet werden können.
IT-Ausstattung und Netzverfügbarkeit sind Voraussetzung
Damit Fachkräfte Methoden im Vorfeld ausprobieren, die geeigneten Methoden für ihre Belange auswählen und anschließend mit den Jugendlichen erfolgreich anwenden können, sind entsprechende IT Rahmenbedingungen zu schaffen. Dabei ist nicht nur die Systemverfügbarkeit und IT-Ausstattung wesentlich, sondern auch der intensive Austausch sowie die einfache und verständliche Kommunikation zwischen dem Fachbereich und der IT-Abteilung wichtige Voraussetzung.
Ergebnisse des Projektes fließen in das Gruppenkonzept ein
Die Ergebnisse der getesteten Maßnahmen fließen in ein „alltagstaugliches“ Medien-Konzept der Intensivgruppe ein. Über die gesamte Phase des Aufenthalts der Jugendlichen in der Gruppe sind somit begleitende Medienaktivitäten vorgesehen:
- Bei Aufnahme in der Gruppe führt der Jugendliche verschiedene verpflichtende Maßnahmen durch, bevor er zum Beispiel seinen WLAN Zugang erhält.
- Während seiner Zeit des Aufenthalts in der Gruppe werden ihm kontinuierlich kreative digitale Aktivitäten angeboten z.B. bei Ferienfreizeiten. Bewerbungsthemen bzw. Methoden zum Erstellen einer professionellen Bewerbung werden dann adressiert, wenn ein Jugendlicher sich in einer Bewerbungssituation befindet. In diesem Fall ist der Jugendliche deutlich mehr motiviert, sich mit dem Bewerbungs-Thema auseinanderzusetzen. Für interessiertere Jugendliche ist die Einrichtung einer Arbeitsgemeinschaft „PC-Skills“ angedacht.
- Bei Verlassen der Gruppe erhält jeder Jugendliche einen USB Stick inkl. Adapter für sein Smartphone, auf dem er seine gespeicherten Ergebnisse wie z.B. Bewerbungen, Lebensläufe, Anschreiben, kreative Projekte und Projektergebnisse sowie wichtige und hilfreiche Links und Formulare zwecks späterer Nutzung mitnehmen kann.
Fazit des Projektes
Die Auseinandersetzung mit den digitalen Möglichkeiten und Anforderungen für Jugendliche erfordert von den Fachkräften, sich selbst im Vorfeld mit diesen Themen auseinanderzusetzen. Hemmungen und Ängste aufgrund von Unkenntnis können nur durch Ausprobieren und eigene Nutzung abgebaut werden. Dann erst sind Fachkräfte bereit bzw. in der Lage, den jungen Menschen wichtige Medien-Kompetenzen zu vermitteln.
Wichtige Voraussetzung für die Nutzung digitaler Hilfen im Alltag, ist eine entsprechende IT Ausstattung und System- bzw. Netzverfügbarkeit (z.B. WLAN). Dies ist erforderlich, um Widerstände abzubauen und eigenes Ausprobieren von Methoden und Angeboten zu ermöglichen. Eine einfache und klare Kommunikation zwischen IT und Fachkräften ist hilfreich und sinnvoll. Die IT sollte sich als Dienstleister, aber auch als Partner verstehen und muss sich auf die jeweiligen Vorabkenntnisse der Fachkräfte in der Kommunikation sowie die Anforderungen aus dem pädagogischen Alltag einstellen. Nur so sind Reibungsverluste zu vermeiden.
Fachkräfte sollten sich gegenseitig unterstützen und ihr jeweiligen (erworbenen) Medien-Kompetenzen an die anderen weitergeben.
Es ist empfehlenswert, mit einfachen Angeboten und Methoden anzufangen, um erste Medienkompetenzen zu erlangen. Diese müssen anfänglich nicht allumfassend sein. Mit der Zeit werden immer mehr und andere Methoden ausprobiert und das Repertoire stetig erweitert und weitergegeben.